This website is using cookies

We use cookies to ensure that we give you the best experience on our website. If you continue without changing your settings, we'll assume that you are happy to receive all cookies on this website. 

Benn, Gottfried: Verzweiflung

Portre of Benn, Gottfried

Verzweiflung (German)

I
Was du in Drogerien sprachst
beim Einkauf von Mitteln
oder mit deinem Schneider
außerhalb des Maßgeschäftlichen -
was für ein Nonsens diese Gesprächsfetzen,
warst du da etwa drin?

Morgens - noch etwas erschöpft
von den Aufstehmanipulationen -
leicht hingeplappert, um nicht gleich wieder
hinauszugehn,
dies und jenes, Zeitgeschichtliches,
Grundsätzliches, alles durcheinander -
Grundsätzliches ist übrigens gut!
Wo sitzt das denn bei dir? Im Magen? Wie lange?
Was ist das überhaupt? Triebfonds, Hoffnungszement, Wirtschaftskalkül -
jedenfalls etwas ungemein Prekäres!

Alles zusammengerechnet
aus Morgen- und Tagesstunden
in Zivil und Uniform
erbricht sich rückblickend vor Überflüssigkeit,
toten Lauten, Hohlechos
und Überhaupt-mit-nichts-Zusammensein -
oder beginnt hier die menschliche Gemeinschaft?

II
Alle die Verschlagenheiten,
das Grinsen ins Gesicht von jemandem,
den du dir erhalten willst,
aber auch nicht die Wahrheit über dich sagen,
nicht fühlen lassen das Rohe, das Schielen, den Verrat,
vor allem, weil du selber gar nicht weißt,
was Schielen und Verrat eigentlich ist,
dies ganze Gewebe aus List, Unzucht und Halbtränen -

Kürten seinerzeit in Düsseldorf -
von sieben bis neun abends Lustmörder,
im übrigen Kegelbruder und Familienvater
war das nicht vollsinnig
und der Pithekanthropus erectus?

Kulturkreise hinten und vorn,
Morgen-, Mittag- und Abendländer,
Höhlenzeichnungen, dicke Madonnen,
Hermaphroditengeschlinge,
Sodomiterei als Rasensport -
alles hin und her und keiner sinnt es
bis zu den Göttern,
bis zu Ende.

Lächle, nimm duftende Seife,
eh du zu der Geliebten eilst
und vorm Rasieren einfetten,
das schönt die Haut.

III
Sprich zu dir selbst, dann sprichst du zu den Dingen
und von den Dingen, die so bitter sind,
ein anderes Gespräch wird nie gelingen,
den Tod trägt beides, beides endet blind.

Hier singt der Osten und hier trinkt der Westen,
aus offenen Früchten rinnt es und vom Schaft
der Palmen, Gummibäume und in Resten
träuft auch die Orchidee den Seltsamsaft.

Du überall, du allem nochmals offen,
die letzte Stunde und du steigst und steigst,
dann noch ein Lied, und wunderbar getroffen
sinkst du hinüber, weißt das Sein und schweigst.



Uploaded byP. T.
Source of the quotationhttp://www.planetlyrik.de

minimap