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Grünbein, Durs: Arkadien für alle

Portre of Grünbein, Durs

Arkadien für alle (German)

Nicht nur das Zentrum, menschenleer am Sonntagvormittag,
Die Briefe, gestempelt mit dem Vermerk Empfänger unbekannt.
Das Meeresrauschen am Telephon, in die Stille das „Bitte?“
Die tausenden Autos, von den Besitzern verlassen am Straßenrand,
Auch die Reklametafeln mit den Dichterplagiaten, die keiner liest,
In den Parks, grell beschmiert, die Monumente der Schulbuchidole,
Dies und alles und manches, wovor man die Augen gern schließt,
Nährt den einen Verdacht. So also sieht, aufgeschwollen zur Metropole,
Der Ort aus, an dem man den Gott einst begrub wie einen Hund.
Arkadien, Friedhof der Himmlischen, ihm gleicht jede Stadt,
Wo der Tod ein- und ausgeht, das Leben auf privatisiertem Grund.
Von wegen Idylle, Landschaft der Seligen, bukolisches Reservat.
Was immer Hirten besangen, wovon die Reisenden träumten −
Dies ist der Schauplatz. City und gorod, metropolis oder ville.
Hier geht man, sein eigener Geist, unter stoischen Bäumen,
Ein gläserner Mensch, schlaflos, sich spiegelnd im Vielzuviel.
Den Takt geben Blicke, urbane Reflexe, nicht die Eklogen,
In denen Daphnis flirtete, Milon und Lakon einander beschützten.
Man spürt sein Skelett, Vertebrat im Vibrato der Brückebogen,
Verliert das Gesicht, geblendet vom metallischen Glanz der Pfützen,
Und ist doch nirgends so heimisch. Erst hier, im gewohnten Exil,
Wo man nachts in sein Mauseloch kroch, gab es Krümel vom Glück.
Wann sonst, wenn nicht im dichten Vekehr, unterwegs ohne Ziel,
War man je so vital, so dem faulen, posthumen Frieden entrückt?



Uploaded byP. T.
Source of the quotationhttp://www.planetlyrik.de

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