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Novalis: Astralis

Portre of Novalis

Astralis (German)

An einen Sommermorgen ward ich jung

Da fühlt ich meines eignen Lebens Puls

Zum erstenmal – und wie die Liebe sich

In tiefere Entzückungen verlohr,

Erwacht' ich immer mehr und das Verlangen

Nach innigerer gänzlicher Vermischung

Ward dringender mit jedem Augenblick.

Wollust ist meines Daseyns Zeugungskraft.

Ich bin der Mittelpunkt, der heilge Quell,

Aus welchem jede Sehnsucht stürmisch fließt

Wohin sich jede Sehnsucht, mannichfach

Gebrochen wieder still zusammen zieht.

Ihr kennt mich nicht und saht mich werden –

Wart ihr nicht Zeugen, wie ich noch

Nachtwandler mich zum ersten Male traf

An jenem frohen Abend? Flog euch nicht

Ein süßer Schauer der Entzündung an? –

Versunken lag ich ganz in Honigkelchen.

Ich duftete, die Blume schwankte still

In goldner Morgenluft. Ein innres Quellen

War ich, ein sanftes Ringen, alles floß

Durch mich und über mich und hob mich leise.

Da sank das erste Stäubchen in die Narbe,

Denkt an den Kuß nach aufgehobnen Tisch.

Ich quoll in meine eigne Fluth zurück –

Es war ein Blitz – nun konnt ich schon mich regen,

Die zarten Fäden und den Kelch bewegen,

Schnell schossen, wie ich selber mich begann,

Zu irrdischen Sinnen die Gedanken an.

Noch war ich blind, doch schwankten lichte Sterne

Durch meines Wesens wunderbare Ferne,

Nichts war noch nah, ich fand mich nur von weiten,

Ein Anklang alter, so wie künftger Zeiten.

Aus Wehmuth, Lieb' und Ahndungen entsprungen

War der Besinnung Wachsthum nur ein Flug,

Und wie die Wollust Flammen in mir schlug,

Ward ich zugleich vom höchsten Weh durchdrungen.

Die Welt lag blühend um den hellen Hügel,

Die Worte des Profeten wurden Flügel,

Nicht einzeln mehr nur Heinrich und Mathilde

Vereinten Beide sich zu Einem Bilde. –

Ich hob mich nun gen Himmel neugebohren,

Vollendet war das irrdische Geschick

Im seligen Verklärungsaugenblick,

Es hatte nun die Zeit ihr Recht verlohren

Und forderte, was sie geliehn, zurück.

 

                      *

 

Es bricht die neue Welt herein

Und verdunkelt den hellsten Sonnenschein[,]

Man sieht nun aus bemooßten Trümmern

Eine wunderseltsame Zukunft schimmern

Und was vordem alltäglich war

Scheint jetzo fremd und wunderbar.

<Eins in allem und alles im Einen

Gottes Bild auf Kräutern und Steinen

Gottes Geist in Menschen und Thieren,

Dies muß man sich zu Gemüthe führen.

Keine Ordnung mehr nach Raum und Zeit

Hier Zukunft in der Vergangenheit[.]>

Der Liebe Reich ist aufgethan

Die Fabel fängt zu spinnen an.

Das Urspiel jeder Natur beginnt

Auf kräftige Worte jedes sinnt

Und so das große Weltgemüth

Ueberall sich regt und unendlich blüht.

Alles muß in einander greifen

Eins durch das Andre gedeihn und reifen;

Jedes in Allen dar sich stellt

Indem es sich mit ihnen vermischet

Und gierig in ihre Tiefen fällt

Sein eigenthümliches Wesen erfrischet

Und tausend neue Gedanken erhält.

Die Welt wird Traum, der Traum wird Welt

Und was man geglaubt, es sey geschehn

Kann man von weiten erst kommen sehn.

Frey soll die Fantasie erst schalten,

Nach ihrem Gefallen die Fäden verweben

Hier manches verschleyern, dort manches entfalten,

Und endlich in magischen Dunst verschweben.

Wehmuth und Wollust, Tod und Leben

Sind hier in innigster Sympathie –

Wer sich der höchsten Lieb' ergeben,

Genest von ihren Wunden nie.

Schmerzhaft muß jenes Band zerreißen

Was sich ums innre Auge zieht,

Einmal das treuste Herz verwaisen,

Eh es der trüben Welt entflieht.

Der Leib wird aufgelöst in Thränen,

Zum weiten Grabe wird die Welt,

In das, verzehrt von bangen Sehnen,

Das Herz, als Asche, niederfällt.



Uploaded byP. T.
Source of the quotationhttp://12koerbe.de/phosphoros/astralis.htm

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