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Theobaldy, Jürgen: Die Einzelnen

Portre of Theobaldy, Jürgen

Die Einzelnen (German)

Ein Wort steht offen, ein Massengrab,
die Klinge trennt das Fleisch auf,
Regen ist Blut, gesammelt im Erdloch,
und an anderen Stränden liegen Knochen,
vom Sand kaum bedeckt, in Höhlen
finden sich angekohlte Schädel,
Blut tritt aus dem Boden wie Schweiß,
und immer bleibt etwas übrig,
immer wird etwas sagen,
wie es einmal unterging,

wie unwägbar es ist, was bleibt,
die Nachmittage in der Sonne,
ein Messer, das aufblitzt im Café,
ein heimliches Lächeln, das gilt, gilt 
für eine Ewigkeit, die doch keine war,
wenn sie die Straßen räumen
und am Stadtrand Rauch aufquillt.
Zuletzt rufst du nach deiner Mutter,
du schlägst die Augen auf,
und sie ist gegangen vor langem,
vor langem war sie eines Tages fort.

Und zuletzt stehen die Särge da,
aufgereiht auf staubigen Plätzen,
Knochen in Plastiksäcken,
ein Kreuz markiert die Stelle,
Ruinen stehen mit leeren Fenstern,
nichts spürt den Blick der Kamera,
das Massengrab wird täglich geöffnet,
täglich Führung! täglich surren
die Fernschreiber in leeren Zimmern,
unendlich vervielfältigtes Wort
im Irrgarten aus Fahnen und Tanzmusik,
Berater plaudern auf schmalen Gängen.



Uploaded byP. T.
Source of the quotationhttp://www.lyrikline.org

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