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Kästner, Erich: Stiller Besuch

Portre of Kästner, Erich

Stiller Besuch (German)

Jüngst war seine Mutter zu Besuch.

Doch sie konnte nur zwei Tage bleiben.

Und sie müsse Ansichtskarten schreiben.

Und er las in einem dicken Buch.

 

Freilich war er nicht sehr aufmerksam.

Er betrachtete die Autobusse

und die goldnen Pavillons am Flusse

und den Dampfer, der vorüberschwamm.

 

Seine Mutter hielt den Kopf gesenkt.

Und sie schrieb gerade an den Vater:

"Heute abend gehen wir ins Theater

Erich kriegte zwei Billets geschenkt."

 

Und er tat, als ob er fleißig las.

Doch er sah die Nähe und die Ferne,

sah den Himmel und zehntausend Sterne

und die alte Frau, die drunter saß.

 

Einsam saß sie neben ihrem Sohn.

Leise lächelnd. Ohne es zu wissen.

Stadt und Sterne wirkten wie Kulissen.

Und der Wirtshausstuhl war wie ein Thron.

 

Ihn ergriff das Bild. Er blickte fort.

Wenn sie mir schreibt, mußte er noch denken,

wird sie ihren Kopf genau so senken.

Und dann las er. Und verstand kein Wort.

 

Seine Mutter saß am Tisch und schrieb.

Ernsthaft rückte sie an ihrer Brille,

und die Feder kratzte in der Stille.

Und er dachte: Gott, hab ich sie lieb!



Uploaded byP. T.
Source of the quotationhttp://forum.himmelsreisen.de

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