Haugová, Mila: Die Urzeitliche (Pradávna in German)
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Pradávna (Slovak)
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Die Urzeitliche (German)1
Ich bin Alfa. In uralter Traurigkeit badet mein Leib, verwundete Sterne schwinden dahin, bloß eben mit der Fingerkuppe streichelt der Schlaf mein Gesicht; Bilder ohne Gedanken, Gedanken ohne Bilder. DU SCHMERZT. Bin Mutter der Mutter. Bin Tochter der Tochter. Erinnerte Erinnerung, die uns verborgene. 2 In der engen Maske der Frau; sich quälen, sich plagen, absterben, klug werden. 3 Das geflügelte Auge, gehört es denn unwiderruflich dem Mann? 4 Wie sich entledigen seiner Frauenfedern? Sich die Flügel abreißen? Rückhaltlos glauben? Wahnsinnig werden vor Berühtung. Sich verlieren ins Unendliche, Schlüssel sein zu allen Türen, - sich schließen wie eine Orchidee? 5 Böses verleiht dem Bösen Macht. Alfa wacht immer, in heiliger Höhle hütet sie das Feuer. Angstvoll fühlt sie wie im lebendigen Fleisch Eisflocken jubeln, bald schon bedecken sie die ganze Erde. Da erhebt sie sich, ruft nächtliche Vögel herbei, ewig hungrige treue Wölfe, geht hinüber zum Gatter, naht sich dem Vieh, tätschelt die großen weißen Strinen - im Grunde beruhigt sie sich selbst, verschluckt ihren Schrei, streichelt ihren gewölbten Bauch und sitzt gebückt beim unendlichen weiblichen Feuer. Einsam, ohne Umarmung, schlingt sie die Arme um ihre Knie. Am frühen Morgen schläft sie ein. Da kommt der Mann. 6 Alfa tritt ein in all ihre Tage, schreitet gegen die Zeit, nimmt eine Handvoll Licht; sie legt sich aufs Lager von Gras, beschreibt urn sich einen Kreis und sagt: »Hier ist Zuhause.« »Alles kam rechtzeitig,« sagt sie sich, »auch diese kalte dunkle Nacht« Ein weiteres Jahr des Lebens. sie betritt ihre Tage und kein Blick zurück, sie bittet um nichts, nur eine Bitte: sie will reine Tage, sie will Früchte des Lichts. 7 Alfa besschwört, will Liebe auf immer. Dem Wind übergibt sie ihr erstes Wort, versteckt unterm Stein einen Schlangenschwanz, wrif ins Feuer eine Handvoll Schirlingskraut, einen schmalen Ring wirft sie ins Wasser. Dein rasenden Blut legt sie Zügel an, sie lacht in den Spiegel, schluchzt unterm Kissen von Gras, verläßt sich selber, findet sich selber, verschließt sich, gewöhnt sich ans eigene Blut und wartet - 8 Alfa schläft bis zum narbigen Morgen. Weckt die Vögel, sich selber, die Glut, legt Knöchelchen nach, schmückt die Stirnen der Toten, glättet den Lehm mit nacktem Fuß und zeichnet sich selbst, die Vögel, Totenmale, biegt aus dauernd angestrengt mit ihren Fingern scharfkantige Ruten; sie hinterläßt Zeichen, also ist sie. Auf schmalem Pfad kommt der Mann ihr unter die Lider wie Schnee. Alles wird zugedeckt. Der Mann ist der Schnee. 9 Die Zeichen erhalten. Sich einnern an sie. »Enträtseln die letzten Spuren des Vogels in uns ...« Keimende Samen sprengen die Erde. Genau dort warten, wo sie zerbirst und grüner Sproß aufreißt der Dunkelheit Haut. Ich hab keinen Stein, der die Hände höhlte, noch Wasser, das hungrig sich an die Lippen höbe - 10 Nur ein Anflug von Wind in den Flügeln, nur lange Frauengewänder mit der roten Spur der Liebe, hier streifte selbst Gott seinen Zorn ab und würde zum Wind in den Flügeln, zur roten Spur auf langen Frauengewändern, zum Messer mit doppelter Schneide, zum Vogel, der in die Umarmung legte seine ganze geflügelte Kraft und sein unwiederbringliches Lied. 11 Einziger Trost der Frauen ist der Traum. 12 Gesicht des Mannes. Verwundet. Verwundend. Gedächtnis. Dürrer Wahnsinn. Aufgehängt in der Wörterschlinge. »Welche Schuld?« Heim ohne Dach. O, Gesicht des Mannes, gezeichnet durch Kerben des Lichts sinkt es in den Traum von Gewalt - weint, sammelt kalte Steine. Die erwärmen sich kurz und leuchten auf. Lange bewahren wir uns diese Wärme. |