Babnik,Gabriela: Sušna doba
Sušna doba (Sloven)1. poglavje Ležala sva v postelji in nisva spustila sonca v prostor, toda tudi če bi prižgala luč, ne vem, ali bi se kaj »Vas zebe?« Predvsem ko je bil majhen. Veliko let kasneje mi je povedal, da je vse otroštvo verjel, da ima njegova mati grivo. Levjo grivo, če si predstavljate. In morda mi je temnopolti mladec tudi zaradi nje šel z roko čez obraz. Malikovo blebetanje ni imelo nikakršnega smisla. V tem mestu sem bil že toliko časa, da sem imel občutek,
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Trockenzeit (German)1. Kapitel Man kann das Gewicht eines Huhns nicht wissen, ohne es aufzuheben und zu schütteln. Wir lagen im Bett und ließen die Sonne nicht ins Zimmer, und auch wenn ich das Licht aufgedreht hätte, weiß ich nicht, ob das etwas geändert hätte. Ob ich geworden wäre, was ich war, und er das, was er war. Ich näherte mich ihm. Ich näherte mich ihm, so weit ich konnte. Seinem röchelnden Atem und der warmen Haut. Er war ungewöhnlich warm. Er sagte, und zwar vollkommen ernst, was seiner Aussage zusätzlichen Charme verlieh, er habe das Herz eines Büffels. Ich habe ihn eingeschirrt, diesen Büffel, und jetzt kann ich ihn nur schwer jemals wieder gehen lassen. Meine Knochen lassen es nicht zu. Ich weiß, ich schreibe wie aus dem vorigen Jahrhundert, doch ich bin auch aus dem vorigen Jahrhundert. Geboren nach dem Zweiten Weltkrieg. Ich habe irgendwo gelesen, dass man so keinen Roman beginnt. Ich meine, dass man sagt „Ich wurde dort und dort geboren“, aber sei’s, wie’s sei. Man möge mir verzeihen, weil ich ohne Licht mit diesem Jüngling im Bett lag, dessen Gesicht wie gezeichnet war. Augen, Stirn, Nase, wie aus einem Pappkarton geschnitten und aufgeklebt. Er schlief mit halb offenen Lidern, und ich wünschte mir, sie ihm schließen zu können. Einige Dinge über ihn wusste ich auch so, aus der Ferne. Ich konnte sie vorhersehen. Als wir ins Hotel gingen, zum Beispiel. Während ich mich bückte und in meiner Tasche nach dem Portemonnaie suchte, sah er weg. Oder als ich auf der Straße, am helllichten Tag, seine Hand nehmen wollte, obwohl ich das erst vor Kurzem getan habe, davor nicht. Davor war er nur neben mir gegangen, sein schlanker, ranker Körper eines Mechanikers, obwohl, obwohl er in seinem Leben schon vieles gemacht haben musste, das sah man ihm nämlich an seinen Adern an, nicht nur an den Händen, sondern vor allem an den Schläfen, große, kräftige Adern, Adern wie Stromleitungen, Adern wie Stahl, wie Salz, wie Wasser, unbesiegbare Adern also, und ich trug neben ihm meine gelbe Tasche mit Gartenblumendruck, die ich dann irgendwo auf halbem Wege so oder so aus der Hand gab. Im Hotel, als unsere Rücken in den Plastikstühlen lehnten, als unsere Körper rasteten, sagte er, ich sei ihm genau wegen dieser Tasche aufgefallen. Auf der anderen Straßenseite. Zwischen uns verliefen Flüsse von Autos, Menschen, Verkäufern, Frauen mit Gepäck auf dem Kopf und ohne, Kinder mit gealterten und weniger gealterten Gesichtern, und trotzdem hatte ich mich in seine Netzhaut eingebrannt. Er hatte die Augen halb offen wie jetzt, außer dass er sie jetzt fast vollständig geöffnet hatte. Obwohl er nicht mehr hinsah, zumindest nicht in meine Richtung. Sondern nach innen, stelle ich mir vor, in dieses sein Büffelherz und heißes Blut, das in Wellen durch ihn floss. Das war wahrscheinlich auch der Grund, warum er im Schlaf röchelte. Wirklich, als hätte er schon eine ganze Ewigkeit nicht geschlafen, als habe er nur auf jemanden gewartet, den er ins Bett einladen konnte. Das habe ich wohl schon auf der anderen Straßenseite geahnt. Und als wir uns endlich gegenüberstanden, sagte er: „Sie haben mich beobachtet.“ Ich weiß noch ganz genau, dass er mich gesiezt hat. Ich sagte daraufhin dasselbe, nämlich: „Ich habe bemerkt, dass du mich beobachtest.“ „Und jetzt?“, lachte er. Ich schwieg, mit dieser gelben, bedruckten Tasche, weil es viel zu dumm gewesen wäre, etwas zu sagen, und sah weg. In diesem Augenblick verstand ich auch, dass es schwer sein würde, diesen Nichtblick zu ertragen. Auf diesen groß gewachsenen, schlanken Körper. Aber das habe ich wohl schon erwähnt, jetzt muss ich mehr erzählen, die Karten auf den Tisch legen; als ich mich also von ihm abwendete, stellte ich mir vor, dass er mir mit seiner großen, dunklen Hand, von der sich die Sonne und noch so vieles andere widerspiegelte, unter das schweißnasse Oberteil fuhr und meine Brüste anhob, die schon seit einem ganzen Jahrhundert zur Seite hingen. „Ich trage Ihnen die Tasche“, sagte er noch, während ich meinen Blick langsam wieder auf ihn richtete. Ich lachte ebenfalls. Nachdem ich beim Queren der Straße gerade noch dem Tod entronnen war, willst du meine Tasche tragen. Nur das, sonst nichts. Nein, es ist ja nicht so, als wüsste ich nicht, wie das läuft auf diesem Kontinent, kein Küssen auf der Straße, kein Händchenhalten, vor allem nicht von Menschen verschiedenen Geschlechts, keine Intimitäten in der Öffentlichkeit, aber das Tragen der Tasche, während ich in Gedanken einen Finger im Mund oder eine Hand auf meinem Bauch hatte, war dennoch zu viel. Ich schüttelte den Kopf, was denn sonst. Schon als Kind habe ich jedes Mal, wenn ich mir etwas ganz stark gewünscht habe, den Kopf geschüttelt. „Nicht nötig, es geht schon.“ In den Untertiteln war es natürlich genau anders herum, und ich glaube, dass er das sogar herauslas. Auf der anderen Straßenseite, unter der Sonne. Als wir später nebeneinandergingen, ganz langsam und leicht, wie zwei Baumwollblüten in den Staubwirbeln, nahm er meine Tasche trotzdem. Wir gingen ins nächste Hotel, wohin auch sonst. Eine Frau wie ich und ein Mann wie er. Im Stehen war er zwei Kopf größer als ich. Aber ich bin große Männer von zu Hause gewöhnt. Das ist nichts Besonderes für mich. Vielleicht störte es die anderen. Dass eine Zweiundsechzigjährige und ein Siebenundzwanzigjähriger nebeneinander gingen. Vielleicht störte es die Rezeptionistin im Hotel. Dass wir uns, während ich mit der Hand in die Tasche griff, unabsichtlich mit den Ellbogen und anschließend noch mit den Schultern berührten. Ich konnte es sehen, es stand ihr ins Gesicht geschrieben. Noch eine, die auf Safari hierhergekommen ist. Nur dass ich hier, in diesem vergilbten Hotel, keine Wolken sehe, nicht einmal Gras und Löwen darin. Nur einen engen, finsteren Flur und Treppen, die zu einem Zimmer führen. Wenn man die Tür öffnet, steht links das Bett, daneben das billig lackierte Nachtkästchen, ein Stück weiter seitlich der Kühlschrank und darauf eine Vase mit Plastikblumen. Sagen wir, dass es noch zwei Stühle gab, auf denen wir, ich vielleicht noch ein bisschen mehr als er, schüchtern Platz nahmen. Ich zog die Beine an, eine Position, die ich später in Afrika noch öfter einnehmen sollte, während er zum Kühlschrank ging und eine Flasche Wasser herausnahm. Ich tat so, als würde ich zum Fenster sehen, zu den Vorhängen, den schweren, bodenlangen Vorhängen, die nicht mit dem Geschehen draußen harmonierten, mit all der Sonne und diesen übertriebenen Gesten und diesen einladenden Grinsern der Straßenverkäufer, und versuchte den Gedanken an die Dinge, die zwischen uns passieren könnten, zu verdrängen. Ich hatte wohl Angst, ja, Angst vor den Worten aus seinem Mund. Dass er am Kühlschrank plötzlich herumwirbeln würde, noch immer mit der Flasche kalten Wassers in der Hand, und sagen würde: „Leg dich hin und mach die Beine breit“, oder „So, jetzt fick ich dich durch, deswegen hast du mich doch in dieses Hotel gebracht, oder?“ Auf solche Worte hätte ich ihm nämlich nicht antworten können. „Ist Ihnen kalt?“ Meine Schultern zogen sich zusammen, obwohl ich wahrscheinlich bei allem zusammengezuckt wäre, ganz gleich, was er gesagt hätte. Und weil seiner Frage nur Stille folgte, warf ich einen Blick auf meine Tasche, und mir fiel erst jetzt auf, dass ich sie beim Betreten des Hotelzimmers auf den Boden neben das Bett gestellt hatte. Als verstünde er meine flüchtige Kopfbewegung, als verstünde er mehr, als ich jemals verstehen werde, ging er noch einmal in Richtung Bett, ich dachte schon, er würde sich hinsetzen, mich damit auffordern, endlich das zu erledigen, weswegen wir hierhergekommen waren, doch er bückte sich nur, hob die Tasche auf und gab sie mir wieder, als wäre nichts, als wären die Plastikblumen und der abgewetzte Teppich und der Seidenüberwurf auf dem Bett nichts. Ich presste sie an meine Brust, wie ein Kind. „Wenn Ihnen kalt ist, kann ich Ihnen mein T-Shirt geben?“ Ich schüttelte den Kopf. Ich weiß nicht, ob er mich verstand, denn schon im nächsten Moment zog er sich das Stück dünnen Stoffs ruckartig über den Kopf und blieb so vor mir stehen. Alles, woran ich mich erinnere, ist diese Behaarung, die dichte, dunkle Behaarung, die sich von seinem Geschlechtsteil über seinen Bauch ausbreitete, fast bis zu seinem Hals. Ich hätte tatsächlich nicht gedacht, dass dunkelhäutige Männer behaart sein konnten, oder zumindest nicht in diesem Ausmaß. In dieser Szene, dieser stummen, scheuen, fast schon bebenden Szene voller Erwartungen, in der alles passieren, aber auch alles in Abrede gestellt werden konnte, wäre uns eine dritte Person gelegen gekommen, doch weil sie weit und breit nicht zu sehen war, weil der Augenblick schon zu lange dauerte, beugte ich mich nach vor und griff mit zwei Fingern nach dem schweißnassen Shirt. „Bitte, siez mich nicht.“ „Nein?“ Ich schüttelte wieder den Kopf. Mittlerweile sollte er verstehen, was ich damit meinte. Es brachte meinen Sohn zum Lachen. Vor allem, als er noch klein gewesen war. Viele Jahre später hatte er mir gesagt, dass er seine ganze Kindheit hindurch geglaubt hatte, seine Mutter hätte eine Mähne. Eine Löwenmähne, stellen Sie sich das mal vor. Und vielleicht strich mir der dunkelhäutige Jüngling auch deswegen mit der Hand übers Gesicht. Die große, warme Hand vergewisserte sich, dass diese Stirn, diese Augenhöhlen und diese Nase nicht nur angeklebt waren. Aus einem Pappkarton geschnitten und angeklebt. Ich wollte ihm sagen, dass mein Sohn in seinem Alter und es darum besser war, wenn er mich duzte, doch nachdem er sich von meinem Gesicht abwandte, zum Fenster ging und die schweren Samtvorhänge zuzog, starrte ich lieber seinen Hintern an. Madonna brauchte angeblich fünfzig Jahre, um solche Hinterbacken hinzukriegen, mir wird es wahrscheinlich nicht einmal im nächsten Leben gelingen. „Das Hotel ist ganz in Ordnung“, sagte ich, um endlich irgendetwas zu sagen, „nur die Rezeptionistin hat uns …“ Er winkte ab, als wollte er mir bedeuten, hier aufzuhören, dass es nicht der Rede wert sei. Und als er näher zum Bett kam, als sich sein Schatten wieder über meinem konzentrierte, schoss mir durch den Kopf, dass er mich an jemanden erinnerte. An jemanden, den es nicht mehr gab, der sich aber durch ihn, über seine vom Hintern hängenden Jeans und seine Finger wieder in mir angesiedelt hat. Seit ich von zu Hause weggegangen bin, den Boden geschrubbt, die Kissen aufgeschüttelt, die Stühle zurechtgerückt und das Gartentor abgeschlossen habe, hat er mich begleitet. Die Begegnung oder besser gesagt das Erblicken auf der Straße war also nicht geschehen, weil ich eine gelbe Tasche und er seine warme, zu warme Haut mit dem nach innen gewendeten Büffelherz trug, sondern weil wir in Wirklichkeit die ganze Zeit über aneinandergeklebt waren. Erst in dieser Gegend ohne Wolken, ohne hohes Gras und Löwen darin konnten wir uns voneinander lösen und gegenüberliegende Straßenseiten betreten. Vielleicht bin ich verrückt, weil ich an solche Dinge glaube. Doch wenn ich verrückt bin, dann existiert auch das Gesicht dieses Mannes, der mir die Tasche zum nächsten Hotel trug, der, nachdem er das Wasser aus dem Kühlschrank ausgetrunken hatte, sein Shirt auszog und anschließend die Vorhänge zuzog und einschlief, nicht, und deswegen existiere auch ich nicht. * Malik wollte, dass wir die Frau ausraubten. Er hatte mich schon auf dem Markt auf sie aufmerksam gemacht, also auf ihre gelbe Tasche. Wenn so etwas passierte, mussten wir nicht mal was sagen. Ein kurzer Augenkontakt und eine Geste oder zwei reichten aus. Wie Wiesel folgten wir dann der Silhouette, die mal da, mal dort stehen blieb, bis wir eine offene Stelle erreichten und alles klar wurde. Malik war immer im Vordergrund, ich hielt ihm mehr oder weniger den Rücken frei. Wenn was schiefging, ging ich mit irgendjemandem in den Clinch oder versuchte, die Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Doch bei dieser Frau, ich meine bei ihrer gelben Tasche, wusste ich, dass es nicht so einfach sein würde. Sie kam mir vor wie aus Watte, und wenn Malik mit seinem schweren Körper in sie reinrannte, würde sie bestimmt zusammensacken. Ich hatte nicht das Gefühl, dass sie schreien würde oder so was. Ich stellte mir vor, dass sie sich nur auf den Gehsteig setzen und zu weinen beginnen würde. Und solche Sachen liegen mir nicht. Malik sagte zu mir, ich sei eine Pussy. Dabei klopfte er sich auf die Brust und beschimpfte mich. „Du musst n Schwein sein, wenn du kein Schwein biss, dann kommste unter die Räder. Wir sind hier in Ouagadougou, Mann, nich in deim verdammten Busch.“ Maliks Gefasel ergab überhaupt keinen Sinn. Ich lebte schon so lange in dieser Stadt, dass ich das Gefühl hatte, ich sei hier geboren. Gegenüber meinen Kumpels auf der Straße behauptete ich, es sei unter einer Brücke passiert, ich wisse nicht mehr genau, unter welcher, aber auf jeden Fall hier, in der Stadt. Malik war also mehr Buschmann als ich, aber in diesem Moment auf dem Markt ging es nicht darum.
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