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The page of Kadlečík, Ivan, German Reception

Image of Kadlečík, Ivan
Kadlečík, Ivan
(1938–2014)
 

Reception

CHARAKTERISTIK DES WERKES
Ivan Kadlečík trat in die slowakische Literatur als Kritiker und Redakteur der Literarzeitschriften Krok und Matičné čítanie ein. Außerliterarische Umstände verursachten aber, dass schon sein erstes Kritikbuch Aus den Sprachen in Tieflanden, in dem er sich vorerst als eine literar-kritische Persönlichkeit vorstellte, schon vor dem Druck verboten wurde und erst 22 Jahre später offiziell publiziert wurde. Die Normalisierungsmacht nach der Okkupation der Tschechoslowakei 1968 versuchte es, Kadlečík als „persona non grata” an den Rand von Kultur und Gesellschaft zu drängen. Man wollte ihn zusammen mit den anderen für das Regime unbequemen Autoren im Rahmen der Publikation verstummen lassen und marginalisieren. Dieser äußere Druck führte Kadlečík dazu, dass er die Quellen seines literarischen Schaffens tiefer in der Geschichte suchte, in den Generationen seiner Ahnen, in der Natur und Kultur. Er löste sich von der kritischen Reflexion los, aus dem Brennpunkt seiner Interessen verlor sich das literarische Werk, das durch sein eigenes Schicksal ersetzt wurde. Das Motiv der Authentizität und des Autobiographischen wird bei ihm zu einem der wichtigsten Momente seines schöpferischen Schaffens. Das Autobiographische heißt, dass “schöpferische Tätigkeit autobiographisch sein muss; wertvoll ist nur das, was durch das Leben des Autors determiniert ist, durch sein Schicksal, seine Einstellungen, zu denen er sich durchkämpfte, die er überstand. Für Kadlečík ist also das Werk nicht ein schönes Erzählen, sondern ein wesentlicher Ausdruck der ganzen Persönlichkeit...” (V. Petrík). In den 70er und 80er Jahren wird seine Genrespannweite durch Feuilleton und “Plauderstündchen” erweitert, die zu dieser Zeit vor allem tschechische Dissidenten pflegten. Diese wurden im Selbstverlag publiziert, dessen regelmäßiger Beiträger und Autor Kadlečík war. Es entstand ein neues literarisches Genre – die Epistelnliteratur – in die sich die gegenseitige langjährige Korrespondenz unter den proskribierten Autoren umwandelte. So entstand auch das Buch Pocco Rubato, eine Sammlung der Korrespondenz zwischen I. Kadlečík und dem tschechischen Dissidentenschriftsteller L. Vaculík. Die 70er Jahre sind durch Kadlečíks Hinwendung zu intimeren Genres (autobiographisches Genre, Epistelnliteratur, Essay) gekennzeichnet. Das erste Werk, das diese Genreumwandlung repräsentiert, ist das Buch Rhapsodien und Miniaturen, das durch autobiographische Motive charakterisiert ist. Die Struktur seines literarischen Raumes bilden Motive des Glaubens und des Protestantismus, Motive der Heimat, der engen Beziehung zur belebten und unbelebten Natur und das Motiv der Musik. Der Musik widmete er auch ein selbständiges Kapitel im Buch Letztes Jahr wie heute, wo sie zum Bestandteil des pantheistischen Verstehens der Naturprozesse wird. Das Buch der literarischen Porträts von bedeutenden Persönlichkeiten der slowakischen Geschichte Gesichter und Anreden, bestätigt sein Beharren auf der Tradition und auf den festen Volkswurzeln. Das Werk Die Episteln bildet eine Brücke zwischen der Normalisierungszeit und den 90en Jahren. Es enthält vor allem die Korrespondenz aus dem Anfang der 90er Jahren und ältere Tagebuchnotizen. In den Episteln und in Das eigene Horrorskop äußerte er sich ganz offen zu der aktuellen politischen Situation. In seinen jüngsten Werken bleibt Kadlečík seinen traditionellen Themen und Motiven treu. Er entwickelt, variiert und paraphrasiert sie in den Büchern Das Lunen, Kopfzerbrechen und vor allem im Buch Letztes Jahr wie heute. Gemeinsames Merkmal dieser Bücher ist auch die ähnliche Komposition – einzelne Kapitel sind je nach dem Kalenderzyklus, nach der Anzahl der Tage und Monate gegliedert.

ZUM AUTOR
Ivan Kadlečík erniedrigte sich nie dazu, in eigenen Texten offen kritisch mit dem (kommunistischen) Regime abzurechnen, obwohl eben dieses sein Leben so dramatisch veränderte und ihn für immer aus der Gesellschaft “ausschließen” wollte. Seine Unnachgiebigkeit, sein Auflehnen (vielleicht auch seine Verachtung)  führten aber dazu, dass er die eigene Verwurzelung im slowakischen Leben, in der slowakischen Geschichte und Kultur unterstrich. (Vladimír Petrík)

(Kadlečíks) Nichtschweigen suchte und fand auch adäquate Formen: essayistische, feuilletonistische, homiletische, lyrisch-prosaische Formen, er schrieb Episteln und Tagebücher. Kurzum, er verwendete Formen ohne strenge Genregesetze. Hier zeigte sich Kadlečík als ein philosophierender und introspektiver Autor, der die Welt so nimmt, wie sie ist, der sich  aber zugleich von ihr kritisch und oft mit Obenansicht befreit und distanziert. (Jozef Bžoch)

AUTOR ÜBER SICH
Ich halte mich für ein Kettenringlein in der Generationskette der Wanderer. Ja, ich halte mich für einen Wandersmann, der sich unterwegs nach hinten umsieht, der nach vorne und um sich schaut ebenso wie meine Ahnen, die Edelleute, Lehrer und Priester, die nie lange an einer Stelle ausruhen. Meine Heimat trage ich in einem Knötchen (der Sprache, des Gedächtnisses), um nicht zu oft vom Weg abzukommen.

Ich fühle mich, die rechte Hand meiner Ahnen zu sein, durch sie identifiziere ich meine Identität und Integrität, ich bin ein Vollzieher ihres Willens und dessen, was sie nicht schafften, was sie nicht vollendeten, weil sie zu schwach waren. Ich bin ein Vollzieher ihres Testaments, ihres Vertrages und diese sklavische Folgsamkeit gibt mir – paradox – die Freiheit inmitten der Nichtigkeit der erlogenen Momente.

AUSZEICHNUNGEN
Dominik-Tatarka-Preis (1995)

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minimap